Donnerstag, 19. Februar 2015

Unter Segeln: Wie ist es eigentlich und was kostet es, den Winter aufdem Boot zu verbringen?

    Es gibt viel zu entdecken an Farben und Formen des Meeres, auch in den vermeintlich dunklen Monaten. Hier: die südtürkische Küste zwischen Kas und Finike im Nachmittagslicht.

Vor vielen Jahren schrieb ich über eine Silvesternacht im Hafen von Piran:

"Als ich im Hafen stand gestern Nacht,
kalt, auf der Pier vor den vertäuten Segelbooten,
das warme Licht darin,
war es nicht etwa so, dass ich mir dachte: 
"Wie schrecklich!" Sondern:
"Wie schön müßte das sein, im Winter hier segelnd unterwegs zu sein!
Abends in kleinen Häfen zu liegen.
Mich auf eine heiße Suppe und Licht zu freuen.
Ich habe diese Segler beneidet. Das täte ich gerne."

Tatsächlich besitzt es unglaublichen Reiz, im Winter auf dem Meer zu sein. Tagsüber ein bisschen Sonne zu spüren. Nachts auf dem gemütlichen Boot. 

Aber wie ist das nun wirklich, mit Kälte, mit Licht, mit warmen Essen? 
Jedes Jahr überwintern im südtürkischen Finike an die 20, 30 Segler. Engländer. Schweden. Franzosen. Kanadier. Deutsche. Ein buntes Häufchen. Meistens Pärchen. Leben den Winter über auf ihren Booten. Sitzen tagsüber in der Sonne lesend in der Plicht. Sind unterwegs mit Fahrrad, um im Ort etwas zu besorgen. Treffen sich zum gemeinsamen Barbecue am Sonntag im PORTHOLE, einem Raum, eher ein Zelt, das die Marina-Leitung für die Segler aufgestellt hat.

Wie ist das wirklich, der Winter auf dem Meer? Hier ein Bericht über das Überwintern auf dem Meer im südtürkischen Finike.



1. Wetter, Wärme, Wind und Wellen.
Antalya, von dem Finike etwa 70 Seemeilen entfernt ist, ist Synonym für Sonne & Wärme. Erstaunliche Erfahrung ist: Soooo anders als im weit nördlicher gelegenen slowenischen Piran oder auf Mallorca ist das mit Sonne & Wärme in Antalya nicht. Für alle drei genannten Orte gilt:

Scheint die Sonne im Januar oder Februar tagsüber, hat es schnell 12 oder gar 15 Grad. T-Shirt-Wetter. Wenn der Wind nicht bläst. Bläst er, ists oft ganz schnell vorbei. Oder wenn die Sonne den Zenit überschritt. In Izola pflegten meine slowenischen Bootsnachbarn, Dauerlieger, im Februar kurz vor 16 Uhr mit Blick auf die Sonne zu sagen: "Noch zehn Minuten. Dann wirds kalt." Und so ist es: Gleich ob in Antalya, Mallorca oder Izola: der Wechsel von "T-Shirt auf kalt": er vollzieht sich in Minuten.

Der schnelle Wechsel: Das gilt auch für den Wind in der Südtürkei. Eben noch preisen Martine & Michel, meine kanadischen Bootsnachbarn, den Tag ob des warmen Sonnenscheins als "journee extraordinaire", als es keine Minute später eiskalt aus Südwest mit 6bft. pfeift. Und man sich lieber wieder ins warme Bootsinnere verholt und auch gleich das Steckschott einsetzt. Alles ist nur Vorspiel für einen noch kälteren dreitägigen Nord, der selbst in den Hafen Schneeflocken und Schauer körnigen Eises treibt.

Leben mit schnellen Wechseln. Und diesen schnellen Wechsel sind auch die Wetterberichte nur bedingt gewachsen. Die Wettervorhersagen von Internet-Seiten, so detailliert sie sich geben, sind schnell Makulatur. Erfahrungen und wie es übers Wetter aussieht: tauschen die Segler jeden Morgen um 9 Uhr über Funk aus.

Hinzu kommen in der Türkei von Januar bis März längere Regenperioden. Zwei, drei, vier Tage mit prasselndem Regen, den der Südwind bringt. Der ist zwar wärmer, erreicht aber ganz gerne auch Sturmstärke. Das Video von Martine & Michel zeigt, wie das Leben des Seglers auf dem Boot auch mal sorgenvoll wird.

Leben im Winter auf dem Boot: Noch mehr als im Sommer ist die Lebenskunst gefragt, anzunehmen, was kommt. Und jederzeit das Beste daraus zu machen. 

                                     Weiterschauen bei: Video übers Unwetter von Martine & Michel. Hier.
                                     Weiterlesen bei: Der Blog von Martine & Michel mit Unwetterbericht: Hier.
                                     Weiterlesen bei: Die 6 besten Apps und Wetterseiten. Hier.



2. Der sichere Hafen.



Hafen. Das ist etwas, was der Segler mit Sicherheit verbindet. Gleichgültig, ob beim "Hardstand" an Land oder beim Liegeplatz im Wasser: Es lohnt sich, vorher den Platz zum Überwintern etwas genauer anzusehen: 

Wie geschützt ist der Hafen bei jeder Windrichtung?
Wie sehr ist die Marinaleitung auf Zack:
• Wie gut ist die Security?
• Sind die Marineros bei Sturm auf der Pier unterwegs? Schauen Sie bei Sturm nach den Festmachern? Belegen sie auch doppelt? Fassen Sie überhaupt Festmacher an?

Nicht in jeder Marina ist das selbstverständlich. Manche Hafenkapitäne lehnen es auch ab, Hand an die Boote zu legen. Weil mancher vom Eigner im Schadensfall ein "Na-Ihr-habt-doch-das-Schiff-zuletzt-vertäut..." fürchtet.

Danach die Facilities in der Marina: Saubere Wasch- und Toiletten-Anlagen? Warmwasser im Winter? Wo kann man Wäsche waschen? Gepriesen sei in Finike das örtliche Hamam im Winter. Herrliche Stunden in wärmenden Dampfschwaden nach einem kalten Tag an Deck. Geschrubbt von oben bis unten von Hassan, dem kundigen Badeknecht. Erst mit dem groben Handschuh. Dann noch mal. Dann in eine gewaltige Seifenwolke gehüllt... und zuletzt von Hassan mit Eimern warmen Wassers weggespült.

Auch die Infrastruktur am Ort ist wichtig, fürs Überwintern. Während im sommerlich überlaufenen Mallorca im Winter die Bürgersteige hochgeklappt werden, die Infrastruktur in Häfen wie Alcudia, Pollensa oder Sollér mangels Touristen fast gänzlich eingestellt werden, funktionieren Orte wie Marmaris oder auch das kleine Finike unbeeindruckt weiter. Busse gehen. Restaurants sind geöffnet. Läden ausnahmslos auch. Orte, die funktionieren, weil sie nicht ausschließlich auf Tourismus ausgerichtet sind.



3. Die Kosten.
Für LEVJE's 31-Fuß kostet der Halbjahres-Winterliegeplatz etwa 1.300 Euro. Mit einrechnen muss man aber das Frühjahrsende: Das Kranen für Antifouling und Wartung (in Finike mit etwa 370 Euro) sowie die "Anschlußzeiten" nach Auslaufen des Halbjahresvertrages: 14 Tage werden hier dann zum Tages-Liegepreis abgerechnet: noch einmal 350 Euro. Alles in allem fallen an Liegegebühren bis zur Saison pro Monat etwa 330 Euro an.

Die Lebenshaltungskosten sind in einer Kleinstadt wie Finike deutlich günstiger als in der 1,6 Millionen-Metropole Antalya. Gehobenes Abendessen mit frischem Fisch, Wein, Dessert zwischen 15 und 25 Euro. Einkauf im Supermarkt oder auf dem Markt: ebenfalls vergleichsweise günstiger. 

Kosten für Mobilität: ein kleiner Leihwagen in Finike kostet pro Tag 50 Euro bis 60 Euro. Wer sich im Internet umschaut, bekommt am Flugplatz von Antalya fürs selbe Geld denselben Leihwagen: für eine ganze Woche.

Fazit: 
Derart Reisen ist - je nach Vorlieben - für deutlich unter 1.000 Euro im Monat zu haben.
Neue "Spielsachen" wie Bootszubehör aus'm Internet nicht eingerechnet.




4.Das Leben im Winter.


Und wie ist es nun, das Leben im Winter auf dem Boot?

Tatsache ist: das Leben ist schön für den, der das Leben auf dem Boot liebt - trotz mancher Unbill. Und der über tagelanges Geschaukel unter Deck im graukalten Schlechtwetter hinwegsehen kann.


Tagsüber: die Sonne. Das in der Sonne sitzen und sich freuen an den schneebedeckten Bergen im Hintergrund, an den Farben des türkisblauen Meers. Am satten Grün der Wiesen, wenn man durch vergessene antike Stätten wie das Myra des heiligen Nikolaus oder Limyra streunt.

Überhaupt: wem Entdecken und Reisen außerhalb der Saison eine Freude ist, dem ist dieses Leben trotz mancher Entbehrung ein Genuß. Kaum jemand ist unterwegs, egal ob Strand, Museum oder antike Bauwerke: Man genießt den Reiz nicht überlaufener Orte, bewegt sich mit und unter denen, die an diesen Orten leben. In der Antike: Bin ich ganz allein.

Das Amphittheater von Limyra, ein paar Kilometer von Finike entfernt...

... und die 2.500 Jahre alte Nekropole in Myra: Lykier, die um 500 vor Christi ihre Toten in Haus-ähnlichen Gebilden mitten in der Großstadt bestatteten. Die Toten leben weiter mit den Lebenden...

Und Abends, wenn es kalt wird, Schiebeluk und Steckschott geschlossen.
Petroleumlampe angezündet. 
Linguine a lo scoglio mit dem gekocht, was es heute bei einem der drei Fischhändler auf dem Markt zu kaufen gab. Und hinterher auf dem warmen Boot lesen und schreiben. 
Noch mal kurz raus ins Cockpit, mit einem Bier, einem Whisky in der Hand in den unglaublichen Sternenhimmel schauen. 
Und beim Einschlafen den Wellen lauschen, im kalten Wind: wie sie an die Bordwand glucksen.

Hat schon was.


                                       
                                       Weiterlesen bei: Was kosten fünf Monate Segeln im Mittelmeer.     

                                       Weiterlesen bei: Die vernachlässigten Schiffe. Hier.                                         
                                       Weiterlesen bei: 5 Monate Segeln: Was hat mir das gebracht? Hier.
                                       Weiterlesen bei: Ein Schiff, um fünf Monate damit zu Segeln. Hier.


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Soeben erschienen vom Autor von Mare Piu: 
Ein Film darüber: Was Segeln ist.



                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.



Der Film entstand nach diesem Buch: 
Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen 
und die Kunst, wieder sehen zu lernen
Einmal München - Antalya, bitte. 

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1 Kommentar:

  1. Schöne Geschichte und auch eine interessante Perspektive. :-)
    Hubert K.

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