Donnerstag, 22. Mai 2014

Landschaften der Seele: die Lagunen von Grado.


Zwischen Chioggia im Südwesten über Venedig bis nach Grado im Osten erstreckt sich eine Landschaft, die eng mit meinem Segeltraum verbunden ist: die Lagunen. Es ist eine riesige Wasserwüste, unterbrochen von unzähligen Inseln und Sandbänken, Anspülungen, Kanälen, Schlickbänken. Manche der Inseln haben nur die Größe eines Vorgartens, und doch steht das reetgedeckte Haus eines Fischers drauf. Andere Sandbänke sind richtig groß, über Dämme mit dem Festland verbunden, und mit Städten darauf: Grado, Lignano, Venedig und Chioggia sind einige davon. Die Einfahrt durch die Kanäle auf dem eigenen Boot - hier in das Stadtzentrum, den Stadthafen von Grado - ist immer wieder ein Genuss:


Obwohl Schwemmland, ist es doch eine uralte Kulturlandschaft. Auf Ravaiarina, genau nördlich von Grado, ist eine Römerstraße eingezeichnet, gegenüber auf dem Inselchen Reste eines Tempels, dem Belenus, einem in römischer Spätzeit für Krieg zuständigen Gott, wer weiß von wem in welcher Bedrängnis geweiht und errichtet. Venedig ist im fünften und sechsten Jahrhundert in dieser Landschaft entstanden, aus den Überschüssen der Salzproduktion und des Fischfangs in den Lagunen entstand die größte Seemacht des Hochmittelalters. Doch davon später.


In dieser fast menschenleeren Wasserlandschaft, wo sich Salz- und Süsswasser ständig verbinden, herrscht die perfekte Stille. Alles, was ich in diesem Agenblick höre, ist das Rufen von Möwen, Wattvögeln, einer Wildtaube und - einer Nachtigall. Durch diese Landschaft führen - bis auf die Dämme - keine Straßen. Lediglich in den Schlick gerammte Pfähle, die Dalben, markieren Wasserstraßen für die Boote. Es gibt Verkehrsschilder, Wegkreuzungen, Gabelungen, und unmittelbar neben den Dalben ist das Wasser oft nur noch 30 Zentimeter tief.


Vor vielen Jahren, als noch gute Landkarten produziert wurden, gelang es mir, eine Wegkarte aller Wasserstraßen in den Lagunen zu ergattern, die ich wie einen Schatz hüte. Was die Karte nicht beinhaltet, sind die ständig sich ändernden Untiefen. Ein ums andere Mal sind wir mit Levje auf Sandbänke gelaufen und saßen plötzlich fest. Nichts ging mehr, weder Vorwärts noch rückwärts. Als beste Technik hat sich herausgestellt, einfach auszusteigen und voraus zu schwimmen. Und wenn's passiert ist: aussteigen und Levje's knapp vier Tonnen einfach über die Untiefe drüberschieben. Geht leicht - wenn's lediglich ein Buckel ist. Denn Levje hat nur einen Tiefgang von 1,60m, das Wasser reicht mir gerade bis zur Brust.

Es ist eine Landschaft, die mir fehlen wird. Die Nacht werde ich heute hier draussen verbringen.

1 Kommentar:

  1. « Tandis qu’à l’occident le ciel se liquéfiait dans une mer ardente, sur nos têtes des nuages enivrants de magnificence renouvelaient perpétuellement leurs formes, et la lumières crépusculaire les pénétrait de feux innombrables. Leurs couleurs tendres et déchirantes de lyrisme se réfléchissaient dans la lagune, de façon que nous glissions sur les cieux. » [Amori et dolori sacrum, La Mort de Venise. Maurice Barres. 1903]

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